Mediation. Professionell geschulte Vermittler kommen längst nicht nur bei Scheidungen zum Einsatz, sie finden auch Lösungen für Punks, Pädagogen und Wutbürger.
Mediation kann helfen, Geld und Nerven zu sparen. Das ist inzwischen unbestritten, zumal in Österreich, wo fast zehn Jahre vor dem benachbarten Deutschland ein Mediationsgesetz beschlossen wurde und etwa bei Trennungen oder in Unternehmen sehr häufig auf Mediatoren zurückgegriffen wird.
Mediation bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als bei Konflikten unter Anleitung einer neutralen Person ein konstruktives Gesprächsklima zu erarbeiten und auf dieser Basis eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Der Mediator Kilian Franer zeigt dieses Prinzip an einem nicht klassischen Fall auf. „Vor dem Umbau der Wiener Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone lagerten Punks mit ihren Hunden auf dem Gehsteig. Darüber haben sich vor allem Unternehmen beschwert. So wurden Punks, Unternehmer, Polizei, Bezirkspolitik und auch Medien zu einer Gesprächsrunde eingeladen, die anfänglich sehr turbulent verlief.“ Unmittelbar bei dieser Veranstaltung seien keine Ergebnisse erzielt worden. „Außer dass die Streitparteien erstmals miteinander redeten, was ein nicht zu unterschätzendes Plus ist.“ In der Folge kam es zwischen den Punks und einem Hotel, vor dessen Eingang deren Treffpunkt lag, zu einer Vereinbarung: Zum Zeitpunkt der Anreise von Touristenbussen sollten die Punks einen Karton Bierdosen bekommen, sich dafür zu deren Konsum aber einige hundert Meter zurückziehen. „Diese Regelung ist zwar nicht perfekt, funktioniert aber bis heute“, sagt Franer.
Gemeinwesenmediation nennt sich dieses Tätigkeitsfeld, auf das sich der Mediator und Organisationsberater spezialisiert hat. Zusammen mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (BIFEB) und der Donau-Universität Krems hat er einen Diplomlehrgang dafür entwickelt, der demnächst zum zweiten Mal startet. Gemeinwesenmediation wird sowohl als Mediation im engeren Sinn durchgeführt, etwa bei akuten Streitigkeiten oder Verkehrsprojekten, als auch präventiv in der Planung. „Immer mehr Lokalverwaltungen und Politiker erkennen, dass es klüger ist, bereits im Vorfeld von konfliktträchtigen Projekten die Bevölkerung miteinzubeziehen. Dabei ist nicht eine bestimmte Maßnahme das Ei des Kolumbus, je nach Situation braucht es einen Mix an Methoden“, so Franer. Der eineinhalbjährige Lehrgang des BIFEB in Strobl am Wolfgangsee, der mit einem Diplom abschließt, vermittelt diese Techniken. Im Anschluss daran soll es künftig die Möglichkeit eines einjährigen Master-Upgradings an der Donau-Universität Krems geben, das derzeit in Planung ist.
Mediation für den Eigenbedarf
Abgesehen von allen Ersparnisvorteilen würden Mediationstechniken heute zunehmend aus dem Motiv heraus erlernt, sie im privaten Bereich zu nutzen, sagt Ferdinand Kamenicky, Sprecher des Österreichischen Bundesverbandes für Mediation (ÖBM). „Es geht vielen gar nicht mehr so sehr darum, eine Mediationsausbildung beruflich zu verwerten, sondern darum, Techniken zu lernen, mit denen sie ihre Haltung und ihr Verhalten in Konfliktsituationen steuern können. In den Ausbildungen wird das zum Beispiel in Rollenspielen sehr gut trainiert.“ Überhaupt gehe der Trend weg von klassischem Frontalunterricht hin zu situativem und individuellem Lernen.
Der ÖBM ist Europas größter Mediationsverband. Im Juni feiert er sein 20-jähriges Bestehen mit einem Tag der Mediation und einer Fachtagung (Kasten). Der Verband besteht aus sechs Fachgruppen (Familie, Gesundheit, Soziales und Sicherheit, Nachbarschaft und interkultureller Bereich, Öffentlicher Bereich, Schule und Bildung, Wirtschaft), deren größte laut Kamenicky die Fachgruppe Familie ist. Am meisten Zuwachs verzeichne jedoch Mediation im interkulturellen Bereich. „Interkulturelle Themen haben sehr stark zugenommen, und interkulturelle Herausforderungen gibt es fast überall, in Unternehmen und Firmen, in Schule und Bildung, aber auch im Sozial- und Gesundheitswesen.“
Master der Mediation
Auf Master-Level kann man Mediation und Konfliktmanagement an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz erlernen. Vor zehn Jahren wurde hier ein Universitätslehrgang ins Leben gerufen, der inzwischen über 80 Absolventen mit dem akademischen Abschluss Professional Master of Mediation verzeichnet und neuerdings in Kooperation mit dem Wifi Oberösterreich durchgeführt wird. Die Teilnehmer kommen laut dem wissenschaftlichen Leiter, Franz Wagner, aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern: Juristerei, Führungsetagen, Medizin, Sozialarbeit, öffentliche Verwaltung, Politik und Bildung.
Neben der Ausbildung zur eigenständigen Berufsberechtigung als Mediator setzt der Linzer Lehrgang einen Schwerpunkt auf Konfliktdiagnose sowie auf Wirtschaftsmediation und die präventive Implementierung von Konfliktmanagementsystemen im Wirtschaftsbereich. Dem Konfliktmanagement sei etwa ein Viertel der Ausbildungszeit gewidmet, sagt Wagner. Abgesehen von Unternehmensverantwortlichen sind etwa Pädagogen Zielgruppe des Lehrgangs. „Auch im Schulbereich sind Präventivstrategien zusehends gefragter, Konfliktkompetenz wird für Pädagogen immer wichtiger.“ Der Linzer Lehrgang bietet außerdem Mediatoren mit abgeschlossener Basisausbildung und Berufserfahrung die Möglichkeit, mit einer Master Thesis den akademischen Abschluss zu erreichen.
Quelle: Die Presse“, Print-Ausgabe, 14.03.2015
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